Aufgrund der großen Hitze fahren wir in die Nacht rein und sind etwas irritiert, als wir, in dem kleinen Nest „Vila Rasa“ von der Guardia National aufgefordert werden, selbiges großräumig zu umfahren. Das schmeckt uns gar nicht, der Umweg ist beachtlich, relativ zumindest und beinhaltet die Benutzung der Autobahn. Nach kurzer Diskussion mit den Uniformierten, beschließen wir dann einhellig, uns den Mächten der Finsternis zu fügen und die geplante Prozession vor Ort auszusitzen.
Lustig!
Die Damen wieder einmal in sehr traditionelle Bekleidung gewandet, bunt, mit typischen Accessoires der Region, die Männer adrett, die Kinder sowieso. Die Prozession ist etwas kleiner als in den großen Städten, aber mindestens genauso würdevoll.
Inmitten des ganzen Trubels mal wieder wir zwei schäbigen Touris, in kurzen Hosen und zerlatschten Latschen. Auch schon egal, uns kennt ja keiner, zumindest hier!
Stunden später, die Menge hat sich aufgelöst, verteilt, die Straßen wieder passierbar. Wir fahren weiter, zu unserem geplanten Nachtquartier- Niebla- klingt irgendwie gut und der Reiseführer weiß ebenfalls Interessantes zu berichten.
Niebla entpuppt sich nicht nur durch unsere neuen Parkplatzbekanntschaften als echtes Schmankerl. Die kleine Stadt, umgeben von einer knapp 2 Kilometer langen Stadtmauer und 5 Stadttoren, sowie 30 Türmen ist noch vollkommen intakt. Der Fluss Rio Tinto liegt zu ihren Füßen und erstrahlt aufgrund seines hohen Eisengehalts in allen erdenklichen Orange- und Brauntönen.
Eines Abends, wir sitzen noch draußen neben unserem Mogi auf dem Parkplatz. Dominik und Elli haben sich schon zurückgezogen, auch Giuseppe und Sabrina liegen schlafend in ihrem Camper, müssen früh raus, zum Pflücken auf die Blueberryfields.
Für`s Reisen braucht man eben Geld. Das junge italienische Paar hatte einst sicher genug davon, aber keine Lust auf Papas Obhut. Die Häuser haben sie verschenkt, das nenne ich konsequent. Pferdegetrappel auf der Straße, hunderte von Pferden, geritten von stolzen Reitern und –innen, jungen und alten. Schön anzusehen, Gelassenheit und Routine strahlen sie alle aus und schick sind sie. Es folgen unzählige Kutschen und Kütschlein, einspännig, mehrspännig, alle aber in einer seltsamen Erhabenheit. Wo führt sie ihr Weg hin in dunkler Nacht, warum so Viele, was bedeutet das Ganze? Licht ins Dunkel der Nacht bringt wieder mal unser andalusischer Reiseführer wie so oft. Er weiß, dass die Reise nach El Rocio gehen wird, einer 2.000 -Seelen Gemeinde, inmitten des Donana -Nationalparks, gar nicht mal so weit weg von uns. Auch weiß er zu berichten, dass sich zum Höhepunkt der Festlichkeiten etwas 1 Mio. Leute einfinden werden. Richtig gelesen, 1 Mio. Menschen, also definitiv keine Option für uns…
Der nächste Morgen ist da, wir bereiten uns ein ausgiebiges Frühstück. Von den Anderen hatten wir uns am Vorabend wieder einmal verabschiedet, nein, nicht zum 1. Mal. Wir beschließen, nach Wochen der Askese, mal wieder ans Meer zu fahren, packen und starten. Unser Ziel ist die nahe gelegene Atlantikküste, Teil des Donana-Nationalparks. Wir tuckern mit stoischer Gelassenheit über heiße Straßen und Sträßchen, keine Eile. Es ist heiß hier, sehr heiß. Wir fahren mitten durch Andalusiens „Bratpfanne“, die heißeste Gegend Spaniens überhaupt. Dann biegen wir irgendwo ab von der Straße, lassen uns vom Tablet in Richtung Meer navigieren, offroad. Die Wege sind gut und lang, nicht langweilig. Nach der nächsten Biegung sehen wir dann Wasser und auf dem idyllischen Sandparkplatz oberhalb der Bar bekannte Autos.
Unsere deutsch-italienische Bruderschaft ist kurzfristig vom Dienst befreit worden, da die Beeren noch nicht reif sind, also ab ans Meer! Nach zwei Tagen mit Sonne, Strand und mehr, zieht`s uns dann doch weiter. Unsere unbändige Neugier lässt uns dann den verwegenen Entschluss fassen, bar jedweder Vernunft, in die Höhle des Löwen zu reiten, sorry, zu fahren.
Nach dem obligatorischen Frühstück geht’s weiter zweimal gerade und drei Ecken und wir fliegen direkt in El Rocio ein. Wo sind wir hier? Augenscheinlich in einer gänzlich anderen Welt!
Sind einfach auf eine Sandpiste gebogen, direkt vor einem Brunnen gelandet und von vielen Menschen mit vielen Pferden umgeben. Wir füllen unsere Wasservorräte, nachdem ich mich der Trinkbarkeit des Lebenselixiers versichert habe. Okay, Wasser haben wir erst einmal. Brot und Gemüse geht auch, nur der Tabak wird weniger.
Per Pedes erkundigen wir das merkwürdige Treiben in und um dieses merkwürdige Städtchen, es gibt hier keine Straßen, zumindest keine geteerten, nur Sand. Die Verkehrsregeln werden mit den Augen gemacht, keine Zeichen am Straßenrand, denn den gibt`s ja auch nicht. Dafür kannst Du überall vor den Häuschen, Bars oder Läden Dein Pferd fest machen oder die Kutsche parken.
Manche der kleinen Bars haben Theken außen, in Pferdehöhe natürlich. Pick-ups sind beliebte Arbeitstiere bei den Anwohnern, die PKWs der Besucher stecken aller Orten im Sand fest. Wir finden einen hübschen Stellplatz am Rande des Geschehens, den wir dann gegen Abend auch beziehen, wir breiten uns aus, fühlen uns wohl und schlafen gut. Nächster Morgen. Das Frühstück bei Sonnenschein erreicht seinen Zenit, als ein rün-Silber lackierter Geländewagen neben uns einschlägt, na klar: Policia national. Nach einer herzlichen Gesprächsrunde über das Campieren im Nationalpark und anschließender Fuhrparkbesichtigung trennen wir uns schweren Herzens von der Polizei und später von unserem Platz, nach dem Frühstück natürlich, das war Teil der Abmachung.
Okay, jetzt erst recht! Wir fahren auf ein kleines Parkplätzchen in mitten der Stadt, das ist nicht verboten. Inzwischen mehren sich die Leute, strömen aus allen Richtungen herbei, zu Fuß, mit Kutschen, Planwagen, Eselskarren, Ochsengespannen, abenteuerlichen, selbstfahrenden Reiseunterkünften und nicht zu Letzt zu Ross. Sie alle haben das gleiche Ziel, jedes Jahr zur selben Zeit. Viele derer, haben eine mehr als einwöchige Pilgerfahrt über Stock und Stein, durch Täler, Flüsse und über Berge hinter sich, sind saudreckig, stinken wie ihre Tiere. All ihre kleinen und großen Entbehrungen ertragen sie mit Würden, voller Inbrunst. Sie alle verehren eine Sumpfgöttin, La Paloma Blanca, weiße Taube. Deren materialisiertes Abbild wird behütet in der Kirche Santa Maria zu El Rocio. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildet dann der Sonntag, da sind dann wohl auch die letzten Pilger eingetroffen und die Jungfrau wird aus der Kirche geschleppt.
Gerade in Anbetracht der geschundenen Tiere, möchte ich mir hier eine Beurteilung über Sinn und Unsinn solchen Tuns verkneifen, verrückt ist es auf jeden Fall und bunt auch.
Es ist sehr heiß, trocken und staubig, wird immer enger. Haben bereits Einladungen in verschiedene Hermandades (Bruderschaften) bekommen, die sich dort in ihren Bruderschaftshäusern zusammen finden, aber weder sind wir trinkfest wie der gemeine Spanier, noch tropft uns Flamenco aus Händen und Füssen. Und so beschließen wir dann auch am Freitagmorgen die Flucht, so lange es noch geht…