Castro Marim- portugiesischen Boden unter den Reifen

In Castro Marim, einem kleinen Ort, betreten wir zum 1. Mal portugiesischen Boden.  Wir haben es also tatsächlich geschafft! Wir sind in Portugal! Am Parkplatz treffen wir auf ein deutsches Pärchen, das schon überall auf der Welt umhergereist ist. Bevor es für sie zurück Richtung Deutschland geht, geben sie uns noch den Tipp eines tollen Stellplatzes in Albufeira. Wir, absolute Portugalneulinge, sind erst einmal froh über den Tipp, haben einen Anlaufpunkt und wollen dort dann später hinfahren. Zuvor geht es aber noch aufs Castillo. Unseren  1. Kontakt zu einem Portugiesen haben wir dann auch am Ticketschalter, als er uns in perfektem Englisch und sogar etwas deutsch anspricht. Er lernt uns auch unser 1. Portugiesisches Wort „Obrigada/o“ das bedeutet danke. Völlig irritiert, da mich das Wort eher an japanisch als wie erwartet ans spanische „gracias“ erinnert, bezahlen wir den moderaten Eintrittspreis von einem Euro und schauen uns in der Burganlage um. Es ist relativ unspektakulär und zu guter Letzt werde ich sogar noch grundlos (zumindest für mich) von einer Wespe ins Bein gestochen.

Gegen Abend fahren wir weiter nach Albufeira und sind anfangs ziemlich schockiert über die vielen Touris, die sich dort durch die Straßen schieben. Hungrig und müde wollen wir eigentlich nur noch einen Platz zum Stehen finden, gesagt getan, Mölli biegt irgendwo rechts ab und sieht einen Platz hinter einer zerfallenen Mauer. Dieser Platz, oberhalb des Meeres auf einer Klippe und unter Pinien stellt sich als so schön und aufgrund seiner Lage so praktisch dar, dass wir dort erst mal einige Tage bleiben. Akklimatisieren inmitten der größtenteils englischen Touristen sieht vermutlich anders aus, aber wir nutzen die Zeit mit Wäsche waschen und kleineren Auto- und Motorradreparaturen. Außerdem können wir hier unseren Hobo (Holzofen) betreiben, um uns essen zu kochen.

Nach einigen Tagen zweifle ich noch immer daran, ob die Menschen hier tatsächlich portugiesisch sprechen oder vielleicht doch russisch. Für mich klingt diese Sprache so befremdlich und ich kann keine Gemeinsamkeiten zu dem mir mittlerweile vertrauten spanisch erkennen. Menno, jetzt hatten wir uns gerade so an die Sprache gewöhnt…

Aufgrund eines Vermerks auf unserer Landkarte steuern wir den Ort Salema an. Ein kleiner süßer Ort, von dem aus man wunderschöne Wanderungen entlang der Klippen zu unterschiedlichen Buchten unternehmen kann. Im Ort treffen wir auf Rosita, eine Schweizerin, die gerade Urlaub macht. Wir verstehen uns auf Anhieb blendend und verbringen noch etwas Zeit zusammen, quatschen über Gott und die Welt. Eine unvergessliche Begegnung mit einer tollen Frau!

Dies soll dann auch der Beginn unserer anschließenden  „Beachhopping-Tour“ werden. Die nächsten Wochen bewegen wir uns entlang der Algarve und klappern zwischen Bocca del Rio und Muracao so ziemlich alle Strände der Gegend ab. In Barranco lernen wir wundervolle Menschen kennen, mit denen wir entweder gemeinsam weiterreisen oder auf die wir aber innerhalb der nächsten knapp 2 Monate immer wieder treffen werden. Eine herrliche Zeit!

Die Strände füllen sich Anfang Juli immer mehr, da nun in Spanien und Portugal Ferien sind und die lokale Polizei ist an vielen Stränden mehr als aktiv, sprich, es werden Strafzettel wegen parken im Nationalpark verteilt. Wir erhalten auch einen, den wir einfach mal großzügig ignorieren. Allerdings macht uns dieses Versteckspiel dann irgendwann keinen Spaß mehr und so entscheiden wir uns weiterzufahren.

Der Hippiemarkt in Barao de Sao Joao stellt dann nochmals ein besonderes Highlight für uns dar. Wir gehen mit vielen neuen Freunden dort hin, da sich die Meisten hier durch den Verkauf von Selbstgemachtem etwas zum Lebensunterhalt hinzu verdienen. Wir lernen aber auch unglaublich viele neue tolle Menschen kennen und verbringen eine wundervolle Zeit dort. Es fühlt sich fast an wie auf einem kleinen Festival, abends finden Jamsessions statt oder man sitzt zusammen, kocht und quatscht.

Der Einladung von Luis und Fanny samt ihren drei Mädels sie in der Umgebung in ihren Jurten zu besuchen kommen wir einige Wochen später gerne nach. Auch dies ist eine unvergessliche Zeit auf unserer bisherigen Reise. Eine wundervolle Familie, die ganz im Einklang mit der Natur lebt, ihre Kinder zu Hause unterrichtet bzw. vom Leben unterrichten lässt. Wir erfahren jede Menge über Gemüse- und Obstanbau, Permakultur, über das Leben in Portugal und kochen zudem wunderbare kunterbunte Sachen mit Gemüse aus dem eigenen Garten.

Nach knapp einer Woche verlassen wir unsere liebgewonnenen Freunde, da weiter nördlich ein Musikfestival stattfindet, wo wir uns mit anderen Bekannten treffen wollen. In Porto Covo bzw. Sines findet dieses Weltmusikfestival statt, welches sich aber als eher enttäuschend herausstellt.

Wir entschließen uns daher, nach 3 Tagen weiter an einen Stausee (port. Barragem) zu fahren. Es bleibt dann auch nicht nur bei einem Stausee, vielmehr klappern wir sämtliche Stauseen in der Gegend ab und sind meist begeistert, dass man dort meist ganz für sich stehen kann und seine Ruhe hat. Wir genießen unsere Zweisamkeit und für uns endlich mal angenehme Wassertemperaturen…

 

El Rocio by Mölli

Aufgrund der großen Hitze fahren wir in die Nacht rein und sind etwas irritiert, als wir, in dem kleinen Nest „Vila Rasa“ von der Guardia National aufgefordert werden, selbiges großräumig zu umfahren. Das schmeckt uns gar nicht, der Umweg ist beachtlich, relativ zumindest und beinhaltet die Benutzung der Autobahn.  Nach kurzer Diskussion mit den Uniformierten, beschließen wir dann einhellig, uns den Mächten der Finsternis zu fügen und die geplante Prozession vor Ort auszusitzen.

Lustig!

Die Damen wieder einmal in sehr traditionelle Bekleidung gewandet, bunt, mit typischen Accessoires der Region, die Männer adrett, die Kinder sowieso. Die Prozession ist etwas kleiner als in den großen Städten, aber mindestens genauso würdevoll.

Inmitten des ganzen Trubels mal wieder wir zwei schäbigen Touris, in kurzen Hosen und zerlatschten Latschen. Auch schon egal, uns kennt ja keiner, zumindest hier!

Stunden später, die Menge hat sich aufgelöst, verteilt, die Straßen wieder passierbar. Wir fahren weiter, zu unserem geplanten Nachtquartier- Niebla- klingt irgendwie gut und der Reiseführer weiß ebenfalls Interessantes zu berichten.

Niebla entpuppt sich nicht nur durch unsere neuen Parkplatzbekanntschaften als echtes Schmankerl. Die kleine Stadt, umgeben von einer knapp 2 Kilometer langen Stadtmauer und 5 Stadttoren, sowie 30 Türmen ist noch vollkommen intakt. Der Fluss Rio Tinto liegt zu ihren Füßen und erstrahlt aufgrund seines hohen Eisengehalts in allen erdenklichen Orange- und Brauntönen.

Eines Abends, wir sitzen noch draußen neben unserem Mogi auf dem Parkplatz. Dominik und Elli haben sich schon zurückgezogen, auch Giuseppe und Sabrina liegen schlafend in ihrem Camper, müssen früh raus, zum Pflücken auf die Blueberryfields.

Für`s Reisen braucht man eben Geld. Das junge italienische Paar hatte einst sicher genug davon, aber keine Lust auf Papas Obhut. Die Häuser haben sie verschenkt, das nenne ich konsequent. Pferdegetrappel auf der Straße, hunderte von Pferden, geritten von stolzen Reitern und –innen, jungen und alten. Schön anzusehen, Gelassenheit und Routine strahlen sie alle aus und schick sind sie.  Es folgen unzählige Kutschen und Kütschlein, einspännig, mehrspännig, alle aber in einer seltsamen Erhabenheit. Wo führt sie ihr Weg hin in dunkler Nacht, warum so Viele, was bedeutet das Ganze? Licht ins Dunkel der Nacht bringt wieder mal unser andalusischer Reiseführer wie so oft. Er weiß, dass die Reise nach El Rocio gehen wird, einer 2.000 -Seelen Gemeinde, inmitten des Donana -Nationalparks, gar nicht mal so weit weg von uns. Auch weiß er zu berichten, dass sich zum Höhepunkt der Festlichkeiten etwas 1 Mio. Leute einfinden werden. Richtig gelesen, 1 Mio. Menschen, also definitiv keine Option für uns…

Der nächste Morgen ist da, wir bereiten uns ein ausgiebiges Frühstück. Von den Anderen hatten wir uns am Vorabend wieder einmal verabschiedet, nein, nicht zum 1. Mal. Wir beschließen, nach Wochen der Askese, mal wieder ans Meer zu fahren, packen und starten. Unser Ziel ist die nahe gelegene Atlantikküste, Teil des Donana-Nationalparks. Wir tuckern mit stoischer Gelassenheit über heiße Straßen und Sträßchen, keine Eile. Es ist heiß hier, sehr heiß. Wir fahren mitten durch Andalusiens „Bratpfanne“, die heißeste Gegend Spaniens überhaupt. Dann biegen wir irgendwo ab von der Straße, lassen uns vom Tablet in Richtung Meer navigieren, offroad. Die Wege sind gut und lang, nicht langweilig. Nach der nächsten Biegung sehen wir dann Wasser und auf dem idyllischen Sandparkplatz oberhalb der Bar bekannte Autos.

Unsere deutsch-italienische Bruderschaft ist kurzfristig vom Dienst befreit worden, da die Beeren noch nicht reif sind, also ab ans Meer! Nach zwei Tagen mit Sonne, Strand und mehr, zieht`s uns dann doch weiter. Unsere unbändige Neugier lässt uns dann den verwegenen Entschluss fassen, bar jedweder Vernunft, in die Höhle des Löwen zu reiten, sorry, zu fahren.

Nach dem obligatorischen Frühstück geht’s weiter zweimal gerade und drei Ecken und wir fliegen direkt in El Rocio ein. Wo sind wir hier? Augenscheinlich in einer gänzlich anderen Welt!

Sind einfach auf eine Sandpiste gebogen, direkt vor einem Brunnen gelandet und von vielen Menschen mit vielen Pferden umgeben. Wir füllen unsere Wasservorräte, nachdem ich mich der Trinkbarkeit des Lebenselixiers versichert habe. Okay, Wasser haben wir erst einmal. Brot und Gemüse geht auch, nur der Tabak wird weniger.

Per Pedes erkundigen wir das merkwürdige Treiben in und um dieses merkwürdige Städtchen, es gibt hier keine Straßen, zumindest keine geteerten, nur Sand. Die Verkehrsregeln werden mit den Augen gemacht, keine Zeichen am Straßenrand, denn den gibt`s ja auch nicht. Dafür kannst Du überall vor den Häuschen, Bars oder Läden Dein Pferd fest machen oder die Kutsche parken.

Manche der kleinen Bars haben Theken außen, in Pferdehöhe natürlich. Pick-ups sind beliebte Arbeitstiere bei den Anwohnern, die PKWs der Besucher stecken aller Orten im Sand fest. Wir finden einen hübschen Stellplatz am Rande des Geschehens, den wir dann gegen Abend auch beziehen, wir breiten uns aus, fühlen uns wohl und schlafen gut. Nächster Morgen. Das Frühstück bei Sonnenschein erreicht seinen Zenit, als ein rün-Silber lackierter Geländewagen neben uns einschlägt, na klar: Policia national. Nach einer herzlichen Gesprächsrunde über das Campieren im Nationalpark und anschließender Fuhrparkbesichtigung trennen wir uns schweren Herzens von der Polizei und später von unserem Platz, nach dem Frühstück natürlich, das war Teil der Abmachung.

Okay, jetzt erst recht! Wir fahren auf ein kleines Parkplätzchen in mitten der Stadt, das ist nicht verboten. Inzwischen mehren sich die Leute, strömen aus allen Richtungen herbei, zu Fuß, mit Kutschen, Planwagen, Eselskarren, Ochsengespannen, abenteuerlichen, selbstfahrenden Reiseunterkünften und nicht zu Letzt zu Ross. Sie alle haben das gleiche Ziel, jedes Jahr zur selben Zeit. Viele derer, haben eine mehr als einwöchige Pilgerfahrt über Stock und Stein, durch Täler, Flüsse und über Berge hinter sich, sind saudreckig, stinken wie ihre Tiere. All ihre kleinen und großen Entbehrungen ertragen sie mit Würden, voller Inbrunst. Sie alle verehren eine Sumpfgöttin, La Paloma Blanca, weiße Taube. Deren materialisiertes Abbild wird behütet in der Kirche Santa Maria zu El Rocio. Den Höhepunkt der Veranstaltung bildet dann der Sonntag, da  sind dann wohl auch die letzten Pilger eingetroffen und die Jungfrau wird aus der Kirche geschleppt.

Gerade in Anbetracht der geschundenen Tiere, möchte ich mir hier eine Beurteilung über Sinn und Unsinn solchen Tuns verkneifen, verrückt ist es auf jeden Fall und bunt auch.

Es ist sehr heiß, trocken und staubig, wird immer enger. Haben bereits Einladungen in verschiedene Hermandades (Bruderschaften) bekommen, die sich dort in ihren Bruderschaftshäusern zusammen finden, aber weder sind wir trinkfest wie der gemeine Spanier, noch tropft uns Flamenco aus Händen und Füssen. Und so beschließen wir dann auch am Freitagmorgen die Flucht, so lange es noch geht…